Stetig verteilte Funktionen < Stochastik < Hochschule < Mathe < Vorhilfe
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(Frage) beantwortet | Datum: | 16:39 Do 27.09.2007 | Autor: | Magician |
Hallo,
ich habe eine grundsätzliche Verständnisfrage:
Wenn ich eine Standardnormalverteilung habe, so habe ich eine Glockenkurve und der Erwartungswert gibt mir den Mittelpunkt der Glockenkurve an. D.h. welcher Wert wohl am wahrscheinlichsten ist. Die Standardabweichung gibt mir an, wie weit ich mich von meinem Mittelpunkt entfernt befinde. Wenn ich nun eine Exponentialverteilung habe, gibt mir der Erwartungswert an, welcher Wert auch hier am Wahrscheinlichsten ist. Da die Exponentialverteilung aber keine symmetrische Funktion ist, müsste doch die Standardabweichung für Werte links und rechts neben dem Erwartungswert unterschiedlich sein. Denn wenn ich mich um so und so viel nach links bewege gehe ich doch die Kurve hinauf und nach rechts hinab. Diese Fragestellung stellt sich bei mir bei allen stetigen Verteilungsfunktionen ausser der Normalverteilung.
Ein konkretes Beispiel:
Ich habe Bauteile, welche eine bestimmte konstante Ausfallrate [mm] \lambda [/mm] haben. Wenn die Lebensdauer Verteilung nun Exponentialverteilt ist, so ist doch die Wahrscheinlichkeitsdichte für den Zeitpunkt t folgende:
[mm]f(x) = \lambda \cdot exp[-\lambda x] [/mm]
Der Erwartungswert, welcher hier [mm]\bruch{1}{\lambda}[/mm] ist, gibt mir dann an, bis zu welchem Zeitpunkt die Bauteile durchschnittlich noch funktionieren (oder?). Was gibt mir dann die Standardabweichung an? Da die Verteilungsdichtefunktion hier einen exponentiellen Abfall aufweist, ist es doch ein Unterschied, ob ich mich um einen Zeitpunkt [mm] \Delta [/mm] t nach rechts oder nach links bewege.
Ich wäre allen sehr dankbar, die hier irgendwie Licht ins Dunkle bringen könnten.
Schöne Grüße.
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(Antwort) fertig | Datum: | 19:19 Do 27.09.2007 | Autor: | luis52 |
Moin Magician,
schauen wir uns einmal die gemeinsame Wurzel von Erwartungswert und der Standardabweichung bzw. Varianz an. Besitzt eine Zufallsvariable $X$
die Dichte $f$, so ist der Erwartungswert der Zufallsvariablen $g(X)$
definiert durch [mm] $\operatorname{E}[g(X)]=\int g(x)f(x)\,dx$ [/mm] (ich lasse mal die Integrationsgrenzen weg). Bereiche, wo $|g(x)f(x)|$ gross ist, gehen
bei der Integration staerker ein als Bereiche, wo das nicht der Fall ist. Mit Haenden und Fuessen ausgedrueckt gibt die Zahl
[mm] $\operatorname{E}[g(X)]$ [/mm] also an, welche Werte $g(X)$ bevorzugt annimmt. ($E[X]$ ist nicht der wahrscheinlichste Wert; bei stetig verteilten
Zufallsvariablen macht das ohnehin keinen Sinn).
Bei der Normalverteilung ist der Erwartungswert der Symmetriepunkt der
Verteilung und auch der Modalwert, also der Wert mit
[mm] $f(\operatorname{E}[X])\ge [/mm] f(x)$.
Die Varianz kannst du schreiben in der Form
[mm] $\operatorname{E}[(X-\operatorname{E}[X])^2]$. [/mm] Mit den Ueberlegungen oben ist sie eine Masszahl dafuer, wie stark die Zufallsvariable $X$ Werte
annimmt, die von [mm] $\operatorname{E}[X]$ [/mm] abweichen. Du hast Recht,
zwischen Abweichungen nach links oder rechts wird hier nicht
unterschieden. Willst du die Asymmetrie beschreiben, so kannst du an die
Verwendung eines Schiefemasses denken, etwa an [mm] $\operatorname{E}[(X-\operatorname{E}[X])^3]$ [/mm] oder hiervon abgeleitete Masse. Siehe einmal hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Schiefe_%28Statistik%29
lg
Luis
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(Frage) beantwortet | Datum: | 19:54 Do 27.09.2007 | Autor: | Magician |
Hallo Luis,
erst mal vielen Dank für deine Antwort, doch ich habe leider noch ein paar Fragen zu deiner Antwort:
Warum hängt die Zufallsvariable bei dir von x (g(x)) ab, ist x nicht die Zufallsvariable?
Mit Haenden und Fuessen ausgedrueckt gibt die Zahl also an, welche Werte g(X) bevorzugt annimmt. (E[X] ist nicht der wahrscheinlichste Wert; bei stetig verteilten Zufallsvariablen macht das ohnehin keinen Sinn).
Wo ist da der Unterschied zwischen wahrscheinlichstem und bevorzugtem Wert?
Du hast Recht, zwischen Abweichungen nach links oder rechts wird hier nicht unterschieden.
Ja aber müsste man das nicht eigentlich? Denn schließlich erhalte ich doch eine andere Fläche unter meiner Verteilungsdichtekurve wenn ich den gleichen Abstand nach links gehe, als wenn ich nach rechts gehe.
Schöne Grüße.
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(Antwort) fertig | Datum: | 21:35 Do 27.09.2007 | Autor: | luis52 |
> Hallo Luis,
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> erst mal vielen Dank für deine Antwort, doch ich habe
> leider noch ein paar Fragen zu deiner Antwort:
> Warum hängt die Zufallsvariable bei dir von x (g(x)) ab,
> ist x nicht die Zufallsvariable?
Die Formulierung $g(X)$ soll kennzeichnen, dass man fuer die verschiedenen Masszahlen verschiedene von $X$ abgeleitete Zufallsvariablen betrachtet, z.B. fuer die Varianz die Zufallsvariable [mm] $(X-\operatorname{E}[X])^2$.
[/mm]
>
> Mit Haenden und Fuessen ausgedrueckt gibt die Zahl also an,
> welche Werte g(X) bevorzugt annimmt. (E[X] ist nicht der
> wahrscheinlichste Wert; bei stetig verteilten
> Zufallsvariablen macht das ohnehin keinen Sinn).
> Wo ist da der Unterschied zwischen wahrscheinlichstem und
> bevorzugtem Wert?
Bei einer stetigen Zufallsvariablen gilt [mm] $P(X=\operatorname{E}[X])=0$ [/mm] ! Es ist also extrem unwahrscheinlich, dass $X$ sich auf seinem Erwartungswert realisiert.
>
> Du hast Recht, zwischen Abweichungen nach links oder rechts
> wird hier nicht unterschieden.
> Ja aber müsste man das nicht eigentlich? Denn schließlich
> erhalte ich doch eine andere Fläche unter meiner
> Verteilungsdichtekurve wenn ich den gleichen Abstand nach
> links gehe, als wenn ich nach rechts gehe.
Wenn ich die Variabilitaet beschreiben will, ist diese Information von
zweitrangiger Bedeutung.
>
> Schöne Grüße.
>
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(Antwort) fertig | Datum: | 19:59 Do 27.09.2007 | Autor: | Blech |
Edit: Sry, für eine sinnlose Zweitantwort; ich könnte schwören, daß der Punkt vor dem post (also nicht nur vor dem topic) rot war?! Oo
Ich werde senil.
> Hallo,
>
> ich habe eine grundsätzliche Verständnisfrage:
> Wenn ich eine Standardnormalverteilung habe, so habe ich
> eine Glockenkurve und der Erwartungswert gibt mir den
> Mittelpunkt der Glockenkurve an. D.h. welcher Wert wohl am
> wahrscheinlichsten ist. Die Standardabweichung gibt mir an,
> wie weit ich mich von meinem Mittelpunkt entfernt befinde.
> Wenn ich nun eine Exponentialverteilung habe, gibt mir der
> Erwartungswert an, welcher Wert auch hier am
> Wahrscheinlichsten ist.
Das klingt etwas mißverständlich. Der Erwartungswert ist nicht der wahrscheinlichste Wert.
z.B. ist der Erwartungswert bei einem Münzwurf (mit Seiten 0 und 1) 1/2, obwohl es unmöglich ist, diesen Wert zu erhalten.
Stell ihn Dir lieber als den Durchschnittswert bei wiederholtem durchführen des Experiments vor.
> Da die Exponentialverteilung aber
> keine symmetrische Funktion ist, müsste doch die
> Standardabweichung für Werte links und rechts neben dem
> Erwartungswert unterschiedlich sein.
Die Abweichungen nach links mögen kleiner sein, dafür sind sie aber auch häufiger:
[mm]F(\frac{1}{\lambda})= 1- e^{-1}>\frac{1}{2}[/mm]
Und um die Varianz zu berechnen zentrierst Du die Zufallsvariable um 0, d.h. wenn Du das Experiment 500 mal durchführst und den Mittelwert nimmst, sollte was in der Gegend von 0 rauskommen
[mm]\operatorname{Var}(X) := \operatorname E\bigl((X- \operatorname E(X))^2\bigr)[/mm]
[mm]\sigma_X = \sqrt{\operatorname{Var}(X)}[/mm]
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 12:21 Fr 28.09.2007 | Autor: | Magician |
Hallo,
vielen Dank für eure Hilfe, ich glaube jetzt habe ich es verstanden.
Ich berechne also den Erwartungswert und die Varianz ist dann auf diesen zentriert. D.h. wenn ich z.B. einen Ausfallmechanismus habe, welcher exponentialverteilt ist und die Ausfallrate [mm] \lambda [/mm] beträgt 2 pro Stunde. So ergibt sich für die Exponentialfunktion folgendes:
[mm]f(x)=\lambda \cdot exp[-\lambda t] \text{ mit } \lambda = 2 \bruch{1}{h}[/mm]
Wenn ich davon den Erwartungswert berechne erhalte ich folgendes:
[mm]E(x) = \bruch{1}{\lambda} = 0,5h[/mm]
D.h. ich erwarte, dass in einer Zeitspanne von einer halben Stunde ein Bauteil ausfällt.
Die Varianz des ganzen ergibt:
[mm]Var(x)=\bruch{1}{\lambda^2}=0,25h^2[/mm]
Die Standardabweichung ist dann:
[mm]\sigma=\wurzel{\bruch{1}{4}h^2}=0,5h[/mm]
Wenn ich nun wissen will, wie viele Bauteile ausfallen, wenn ich einen Bereich habe der eine Standardabweichung vom Erwartungswert abweicht, so schaue ich in der Verteilungsfunktion nach, welchen Wert ich für eine Standardabweichung erhalte: 0,63212, d.h. es sind dann 63,2% der Bauteile ausgefallen, wenn ich einen Bereich habe, der 0,5h in negativer sowie positiver Richtung vom Erwartungswert entfernt ist. Aber nicht vom absoluten Zeitpunkt.
Ein weiters Beispiel:
Ich habe Bauteile und notiere wann wie viele Bauteile ausgefallen sind. Ich nehme an, die Ausfälle seien exponentialverteilt. So kann ich mir für diese Bauteile einen Erwartungswert ausrechnen, der Angibt wie lange die Zeit ist, die ein Bauteil im Schnitt überlebt. Nun sage ich ok, jetzt würde ich gerne wissen, wie es aussieht wenn ich einen Bereich habe der einer Standardabweichung entspricht, so ist dieser Bereich automatisch um den Erwartungswert zentriert und deswegen schaue ich für diesen Bereich in der Verteilungsfunktion nach welchen Wert ich erhalte. So kann ich nur sagen, dass dann 63,2% meiner Bauteile ausgefallen sind, aber nicht zu dem und dem Zeitpunkt sind so und so viele Bauteile ausgefallen. Wenn ich eine mittlere Lebensdauer von 1000h habe und möchte nun wissen wie viele Bauteile nach 500 Stunden ausgefallen sind, so kann ich dies Ausdrücken in Anteilen der Standardabweichung, hier 0,5, und dann in der Verteilungsfunktion nachschauen, welche Fläche also welchen Wert ich erhalte, was dann 0,393 ergibt. Wenn ich nun wissen will wie viele Bauteile zwischen 1000h und 1500h ausfallen, so kann ich nicht sagen, der Bereich umfasst 500h und es fallen genauso viele Bauteile aus. Ich muss stattdessen meine Verteilungsfunktion von 1500h nehmen und davon die Verteilungsfunktion von 1000h abziehen.
Ich hoffe, dass alles was ich geschrieben habe korrekt ist. Bitte korrigiert mich notfalls nochmals. Vielen Dank und schöne Grüße.
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