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(Frage) beantwortet | Datum: | 19:16 Mo 16.08.2004 | Autor: | basti23 |
Ich habe diese Frage in keinem weiteren Forum gestellt
Hallo zusammen,
ich habe in der WR schon öfters den Begriff des Lebesgue-Maßes gelesen.
Im Moment in Zusammenhang mit der geometrischen Wahrscheinlichkeit.
Diese ist bei uns gegeben durch
[mm]P\left(A\right)=\bruch{\left|A\right|}{\left|\left[0,1\right]^2\right|}=\left|A\rigth|[/mm]
wobei [mm] \left|A\right|[/mm] den "Flächeninhalt" (genauer: den Wert des 2-dim. Lebesgue-Maßes) von [mm]A[/mm] bezeichnet. Habe natürlich die Defintionen nachgelesen, aber allesamt unverständlich gefunden (hab Maßtheorie nicht gehört).
Hat mir jemand eine einleuchtende, anschauliche Definition vom Lebesgue-Maß? Danke im voraus
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(Antwort) fertig | Datum: | 20:00 Mo 16.08.2004 | Autor: | Stefan |
Lieber Sebastian!
Da du keine mathematisch exakte Definition willst, sondern eine anschauliche Darstellung, begnüge ich mich mit letzterem:
Wir wollen uns also das Lebesgue-Maß [mm] $\lambda$ [/mm] im [mm] $\IR^2$ [/mm] plausibilisieren:
Man will in jedem Fall, dass offenen Quadern der übliche "Flächeninhalt" zugeordent wird:
[mm] $\lambda(]a,b[ \times [/mm] ]c,d[) = (b-a) [mm] \cdot [/mm] (d-c)$.
Weiterhin will man eine Additivität, d.h. das Lebesguemaß einer disjunkten Vereinigung von Quadern soll die Summe der Lebesguemaße der einzelnen Quader sein:
[mm] $\lambda \left( \bigcup\limits_{i=1}^d Q_i \right) [/mm] = [mm] \sum\limits_{i=1}^d \lambda(Q_i)$.
[/mm]
Diese Gleichung ist auch sinnvoll, wenn man abzählbar unendlich viele disjunkte Quader betrachtet, vorausgesetzt, dass die Summe rechts entweder konvergiert oder man für [mm] $\lambda$ [/mm] auch den Wert [mm] $\infty$ [/mm] zulässt. Man sagt, die Mengenfunktion [mm] $\lambda$ [/mm] ist [mm] $\sigma$-additiv.
[/mm]
Eine [mm] $\sigma$-Algebra [/mm] auf einer Menge [mm] $\Omega$ [/mm] ist eine Familie [mm] ${\cal A}$ [/mm] von Teilmengen von [mm] $\Omega$, [/mm] die die leere Menge enthält sowie abgeschlossen unter Komplement-, endlicher Durchschnitts- und abzählbarer Vereinigungsbildung ist.
Wir betrachten nun die kleinste [mm] $\sigma$-Algebra [/mm] in [mm] $\IR^2$, [/mm] die die offenen Quader enthält (man erhält sie aus den offenen Quadern durch geeigenete Komplement-, Durchschnittts- und Vereinigungsbildungen). Man beachte, dass diese [mm] $\sigma$-Algebra [/mm] nicht die gesamte Potenzmenge von [mm] $\IR^2$ [/mm] ist, aber die "wichtigsten Mengen" (etwa alle offenen und geschlossenen Mengen) enthält. (Ja, bevor hier naseweise Kommentare kommen: Das ist sehr salopp formuliert, ich weiß. ) Ihre Elemente heißen Borelmengen.
Dann kann man [mm] $\lambda$ [/mm] auf geeignete Weise auf diese [mm] $\sigma$-Algebra [/mm] fortsetzen. Nun kann man das Maß noch vervollständigen, indem man alle Teilmengen von Borelmengen mit Lebesgue-Maß Null hinzunimmt (diese sind nämlich nicht notwendigerweise von vorneherein in der [mm] $\sigma$-Algebra [/mm] enthalten) und ihnen ebenfalls das Maß Null zuordnet. Auf diese Weise konstruiert man die Lebesguesche [mm] $\sigma$-Algebra [/mm] und das Lebesgue-Maß.
Man kann nun bei der Berechnung einige schöne Eigenschaften ausnutzen, etwa
[mm] $\lambda(A) [/mm] = [mm] \inf\{\lambda(U)\,,\, U \subset \IR^2\,,\, U \supset A\, \mbox{offen}\}$
[/mm]
für kompakte Mengen $A [mm] \subset \IR^2$.
[/mm]
Für die "üblichen" geometrischen Gebilde (Kugel etc.) entspricht das Lebesgue-Maß dem "üblichen" Flächeninhalt, den man aus der Schule kennt. Aber es gibt durchaus auch Eigenschaften, die zunächst kontra-intuitiv sind: Zum Beispiel gibt es abgeschlossene Mengen ohne isolierte Punkte, die trotzdem das Lebesgue-Maß $0$ haben (wie das Cantorsche Diskontinuum).
So, das war jetzt im Schnelldurchgang, extrem populärwissenschaftlich und ungenau (sogar vielleicht aufgrund didaktischer Reduktion an der einen oder anderen Stelle strenggenommen falsch). Für eine exakte Definition musst du dir ein Maßtheorie-Buch nehmen. Da gibt es ganz hervorragende, z.B. das von Elstrodt (Springer-Verlag) oder von Bauer (de Gruyter-Verlag). (Ich selber besitze als großer Maßtheorie-Fan ungefähr $15$ Maßtheorie-Bücher.)
Liebe Grüße
Stefan
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